Renaissance Barock Rokoko Louis Seize Biedermeier Historismus
Jugendstil   Art Deco

Stilkunde

Renaissance 1500-1650

Rückbesinnung auf die Ideale des klassischen Altertums, Verwendung von Vorbildern aus Kunst und hauptsächlich Architektur der Antike der Griechen und Römer. Es wurden fast alle Stilelemente der antiken Baukunst, wie Portale, Nischen, Säulen, Fassaden, Rundbögen usw. verwendet. Es wurden aufwendige Schnitzarbeiten, wie Atlanten, Karyatiden, Bandornamente, Akanthusblattvariationen und von Rollwerk umgebene Kartuschen hergestellt. Materialen waren unter anderem Nussbaum, Esche, Kastanie, Zypresse, Eiche, Tanne, Perlmutt und Elfenbein. Die innen angebrachten Schlösser waren aus verzinntem und reich ziseliertem Eisen.

Barock 1650-1740

Der Barockstil erstrebt die Schaffung eines Gesamtkunstwerkes in allen Kunstrichtungen. Besonders in der Baukunst: großzügige Schlossanlagen und Patrizierhäuser und deren Ausstattung. Stark beeinflusst wurde diese Richtung vom Sonnenkönig Ludwig XIV. (1653-1715), dessen prunkvoller Lebensstil und immense Repräsentationssucht allen europäischen Höfen als Vorbild dienten. Die eher strengen Formen der Renaissance werden durch dekorative , plastische Rundungen betonende Elemente aus kostbaren Materialen abgelöst. Die Schränke zeigen sehr starke, ausladende Gesimse, die oft von freistehenden oder gedrehten Säulen getragen werden. Schnitzereien sind weniger betont und werden durch neue ausgefeilte Marketeriearbeiten in kostbaren Materialen ersetzt. Erstmals werden Metalle (Boulle) und Steine eingelegt. Ausgesprochen typische Möbel wie der nur mit Hohlkehle und Wulst dekorierte Wellenschrank, wie bei uns in der Rubrik *Schränke gut zu sehen, entwickeln sich. Zur Berühmtheit gelangte in dieser Zeit auch der Dresdner Barock. Einzigartige Bauwerke wie der Zwinger, die Hofkirche und jetzt der Wiederaufbau der Frauenkirche sind Beispiele der großen Baukunst dieser Zeit. Die schon in der Renaissance verwendeten Materialien werden durch Kirschbaum, Birne, Palisander und Ebenholz ergänzt. Für Einlegearbeiten und Verzierungen kommen Halbedelsteine, Marmor, Glas, ausgeschnittenes Messing, Bronze, Gold, Blattgold und Silber hinzu. Die bisher nur ziselierten Beschläge und Schlösser werden von nun an auch durchbrochen und getrieben.

Rokoko 1725-1770

Im Rokoko wird der schwere, architektonische Stil des Barock in spielerische und schwungvolle Formen und elegante Dekorationen aufgelöst. Rocaille, Schwung und Gegenschwung, sowie zarte Pastellfarben setzen sich durch. Das typische und einmalige Stilelement ist die Rocaille (Muschel), die der Epoche auch den Namen gab. Das ist eine muschelähnliche Form, die in vielen Variationen in Innendekorationen und Möbelkunst verwendet wurde. Selbst im Theater sieht man es oft als Sichtschutz des Souffleurkastens. Hier in Heidelberg leider nicht zu sehen, da wird nur von der Seite souffliert. Häufig sind Arrangements aus Pflanzen, Blüten, Vögeln, Schmetterlingen, Gittern und Rosetten. Asymmetrische Ornamente und feuervergoldete Beschläge kommen auf. Erstmals werden kleine und raffinierte Möbel wie Spiel-, Toiletten- und Schreibtische gefertigt, die kombiniert als sogenannte Beistellmöbel verwendet wurden. Bei den Materialen kommen Gobelin, Seide, Lackmalerei, feuervergoldete Beschläge, versilbertes und vergoldetes Holz und Leder hinzu. Bei Schlössern und Beschlägen wird nun außer Eisen auch Messing und feuervergoldete Bronze verwendet.

Louis XVI  1760-1810

Louis Seize ist ein Übergangsstil, der in Deutschland zum Biedermeier und in Frankreich zum Empire hinführt. Leichtigkeit und Eleganz werden noch beibehalten, Schweifungen und Asymmetrie abgelegt. Unter anderem werden durch die zu der Zeit weltbewegenden Ausgrabungen in Pompeji und Herculaneum antikisierende Formen wieder eingeführt. Die Rocailleformen verschwinden ganz und werden durch Blumen, Früchte, Landschafts- und Architekturmotive in natürlicher Darstellung ersetzt. Die Möbel zeigen geradlinige Formen und geometrische Einlegearbeiten, Eierstabfriese, Mäanderbänder, klassische Rosetten, Vasen, Akanthusblätter, Blumengebinde, Bildnis- und Trophäenmedaillons werden verwandt. Bei den Schreibmöbeln wird das Roll- und Zylinderbüro erfunden. Als Holz wurden alle einheimischen Hölzer verwendet, vor allem die hellfarbigen. Zum Einlegen verwendete man Ebenholz, Zeder, Palisander, Mahagoni und Satinholz. Die Beschläge und Verzierungen waren zumeist feuervergoldet.

Biedermeier- Klassizismus 1790-1845
Deutschland 1815-1830 Biedermeier Frankreich 1800-1830 Empire  England 1810-1830 Regency

Der Begriff Klassizismus umfasst die Zeit von 1790-1845 und die Epochen Louis Seize, Empire, Biedermeier und Regency. Die durch das Louis Seize eingeleitete Stilepoche des Klassizismus orientiert sich an der Formenwelt der klassischen, antiken Architektur Griechenlands, Italiens und Ägyptens. Dieser Stil setzte sich in ganz Europa durch. Das Biedermeier entwickelte sich aus dem Empire und ist eine gewisse Folge der Verarmung nach den „Napoleonischen Kriegen“. In seiner Schlichtheit und Nüchternheit eine Reaktion auf den Prunk vom Rokoko. Er war der erste bürgerliche Kunststil, der zwischen 1815 (Frühbiedermeier) und 1848 (Spät-Biedermeier) Gültigkeit hatte. Kulturhistorisch, soziologisch und politologisch ging das Biedermeier bis 1848, kunsthistorisch streng gefasst von 1815-1830.

Interessant erscheint es mir und deshalb muss ich das erwähnen, dass der Heidelberger Arzt Prof. A. Kussmaul als junger Landarzt auf ein Büchlein mit dem Titel „Die sämtlichen Gedichte des alten Dorfschulmeisters Friedr. Sauters, welcher...", stieß. Verlegt 1845 in Karlsruhe. Diese schwerfälligen Gedichte waren zum Teil parodistisch überzeichnet und erschienen 1855-1857 in den noch „fliegenden Blättern“. Das Pseudonym Gottlieb Biedermeier findet sich erstmals gedruckt 1853, nach einer Idee Viktor von Scheffels. Lange Zeit dachte man bei dem Wort Biedermeier an Engstirnigkeit, Rückschritt, Rückzug ins Private, Recht und Ordnung. Heute verbindet man mit dem Wort Beschaulichkeit, Gemütlichkeit, Solidität, Nostalgie und Ruhe. Das Biedermeier ist zwar eine eher unbedeutende, kurze Epoche unserer Geschichte, jedoch hat sie als Stilepoche weit mehr an Bedeutung gewonnen als man glaubt. Sie ist die längst vergessene Grundlage für den Funktionalismus des 20. Jahrhunderts bis hin zu den heutigen Prämierungen guter Industrieform. Man könnte es auch folgendermaßen definieren: zweckecht-stoffecht-zeitecht und dazu das denkbar tüchtigste Handwerk.

 Die typischen Stilmerkmale dieser Zeit zeichnen sich durch strenge, klare Formen, einfache Maßverhältnisse und übersichtliche Gliederungen aus. In Anlehnung an die alten Mythologien werden für Beschläge und Dekor Füllhörner, Helme, Adler, Lyra, Rutenbündel, Bacchusmasken, Säulen, Palmetten, Fabeltiere usw. verwendet. Die Möbel wurden einfacher und zweckmäßiger und passten sich den Ansprüchen des normalen Bürgertums an. Als Materialen wurden Mahagoni, Esche, Pappel, Eibe, Nussbaum, Kirschbaum, Birne, Apfel, Birke, Eibe und Wurzelfurniere verwendet. Neuerdings wurden gesteckte, in den Rahmen eingelassene Schlösser verwendet.

Historismus
Deutschland 1840-1870 2.Rokoko 1870-1900 Gründerzeit Frankreich 1830-1850
Louis-Philippe
1850-1870 Napoleon III  1870-1900 Henry II England 1830-1900 Victorian

Der Historismus setzt in Europa mit der Nachahmung des Rokoko ein. Dann beginnt Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts Kopie und Nachbau aller historischen Stile. Keine eigenständige Form wird mehr geschaffen. Neugotik, Neurenaissance, Neubarock und entsprechende Stilmischungen werden produziert. Der Historismus wird daher in der kunsthistorischen Literatur auch als „Rücktrittskunst“ oder „Rückblickzeit“ bezeichnet. Bei Möbeln aus dieser Zeit wird oft von „zweiter Zeit“ gesprochen. Dies jedoch immer einwandfrei zu erkennen, ist selbst oft für Fachleute sehr schwer, sind doch die Stücke auch schon ca. 150 Jahre alt. Oft erkennt man nur an Details aus welcher Zeit sie sind (Verzapfungen, Schlösser, Furnierstärke, Bearbeitungstechniken usw.). Die Auflockerung der Biedermeiermöbel mit neogotischen Applikationen oder sacht geschweiften Giebeln um 1835-40, das Auftauchen des zweiten Rokoko signalisieren den Beginn des Historismus. In Frankreich entwickelte sich durch die Vorliebe des Königs Karl X. eine Bevorzugung des „Rokoko“. Der seit 1824 regierende König gab sich sehr volksnah und sorgte für eine rasche Verbreitung des „Neo-Rokoko“. Fälschlicher Weise wurde der französische König Louis-Philippe (1830-1848, „König Birne“) zum Namensgeber für diesen Stil. Die frühen Louis- Philippe- Möbel werden oft genug irrigerweise als „Spät-Biedermeier“ verkauft.

Ab 1870, schon ab 1840 gab es einzelne Versuche, kämpft sich die „Neo-Renaissance“ durch. Bei uns ist sie in ihrer Hochzeit als „Gründerzeit“ bekannt. In bester Verarbeitung und edelsten Materialen gibt es wieder Stollen- und Kabinettschränke. Die Gründerzeit steht als Synonym für enormen wirtschaftlichen Aufschwung und steigerndem Wohlstand des Bürgertums. Durch die ständige Entwicklung und den Einsatz von Maschinen werden die Gegenstände für den Mittelstand erschwinglich. Für den Adel erschien dieser Stil zu wenig elegant und exklusiv und wurde durchgehend von ihm abgelehnt. Eine weitere Auseinandersetzung mit dem Barock und dem Rokoko war eine beinahe organische Entwicklung. So kam es, dass aus edelsten Hölzern, einheimische Hölzer wurden kurzerhand vergoldet (besonders schick waren weissgold gefasste Möbel), um die Jahrhundertwende ein drittes Rokoko entsteht. Kaiser Wilhelm II. renoviert beispielsweise das Schloss Sanssouci und lässt die Stilelemente des Rokoko wieder erblühen. In dieser Zeit tritt auch eine Vorliebe für alles Orientalische hinzu. Japanische, chinesische, türkische, indische, persische und arabische Motive werden vor allem im Kunsthandwerk verwendet. Die unterschiedlichen Erscheinungsbilder des Historismus waren keine Modewechsel, sondern der ihm typische Stilpluralismus. Der Historismus hatte immer eine restaurative und eine suchende Komponente. Trotz der Industriealisierung hatte der Historismus auch für das Handwerk Vorteile, die noch heute bei jeder Meisterprüfung zum Tragen kommen. Neben allen bisher bekannten Materialien kommen Bug- und Sperrholz (Thonet), Gusseisen, Sprungfedern und Messingrohr dazu.

Jugendstil 1895-1920

Alle Stile der Vergangenheit sind einzigartig, aber unter allen diesen Stilen ist wiederum der Jugendstil einzigartig. Alle anderen Stile sind Ordnungsbegriffe der Geschichtsschreibung: der romanische, der gotische, der barocke, der klassizistische Stil- diese Vorstellungen sind der historischen Betrachtung und Analyse zu verdanken. Der Jugendstil hingegen war als Stil gewollt, erstrebt, ja man erfand ihn einfach. Aber das ist nicht das Geheimnis seiner Einzigartigkeit. Es ist ein Stil ohne Muster und Vorlagen, ein ganz und gar neuer, eigener, zeitgenössischer, gegenwärtiger, lebendiger Stil. Verschlungene florale Formen, aber auch strenge, geometrische Konstruktionen in allen Bereichen von Architektur, Möbelbau und Kunsthandwerk setzen sich durch. Von England ausgehend bilden sich Paris, München, Darmstadt und Wien zu Zentren aus, in denen diese, die Moderne einleitende Kunstrichtung erarbeitet wird. Sie werden zur Belebung der Fläche, zur Kultivierung der dynamischen Linie, zur Herrschaft des Ornaments oder in allem zugleich: diese Füllungen und Aussparungen, diese rahmenden Umschlingungen, diese Wellen, Locken und Wurzeln, diese Asymmetrien, diese Kurvaturen, dieser sparsame Prunk , diese Verquickung des Organischen und Funktionellen, diese Verdrängung der Horizonte und die Fesselung der Gestalt in ihrer Kontur- das ist alles wie ein einziger Zauberbann, der um sich greift, dem nichts zu entgehen scheint. Als Materialen verwendete man farbiges Glas, Bleiverglasungen, Harthölzer, neue Lacke und Farben, Neusilber, Kupfer, Nickel, Chrom und Emaille. Die Produktivität dieser Jahre um die Jahrhundertwende ist hinreißend, die Epoche leuchtet und glitzert vor Selbstgefühl und Zuversicht, und doch rührt uns inmitten solcher Schönheit, die überall regieren soll, die Ahnung des Zerfalls an, die aus ihr entgegenscheint. Denn das Schöne ist nichts als der Anfang des Schreckens- in manchem Sinne auch hier.

Art Dèco 1920-1930

Der Art Dèco- Stil ist eine Weiterführung des Jugendstils. In Frankreich wird das Exzentrische und Kultivierte weiter betont. Hauptsächlich werden kostbare Einzelstücke gefertigt. In Deutschland und Österreich wird durch die Gründer des Bauhauses (1919) und anderer Werkbünde eine starke Vereinfachung auf funktionale Formen erreicht. In England gibt es keine nennenswerte Weiterentwicklung. Es werden im Prinzip alle Stilmerkmale des Jugendstils weiterverwendet. Hinzukommen noch afrikanisch und ägyptisch inspirierte Details. In Deutschland und Österreich werden industriell gefertigte Möbel aus einfachen Hölzern, Stahlrohr und Kunststoff entwickelt. Frankreich verfeinert seine fantasievollen, luxuriösen Einzelstücke. Alle Arten von einfachen und ausgefallenen Materialien wie Elfenbein, Steine, exotische Hölzer, Aluminium, Stahlrohr, Kunststoffe, Eisen, Leder Silber, Glassteine. Schlangenhaut, Bronze, Emaille, Lack und noch vieles mehr.